Donnerstag, 16. Juli 2015
Blindheit
Natürlich wollte ich über die Konsequenzen jener Entscheidungen nachdenken und natürlich wusste ich, dass sie möglicherweise sehr schmerzvoll werden. Aber ich kam nicht umhin zu glauben, dass ein anderer Weg viel schmerzvoller wäre. Ich hatte mir oft gewünscht, die Welt in mehr als nur schwarz und weiß zu unterscheiden und entsprechend mehr als nur eine Lösung zu entdecken. Aber mein Kopf wollte mir immer nur zwei Möglichkeiten offerieren: ja oder nein.
In Partnerschaften entschied es sich oft, dass die Person, die sich von mir trennte, sich eben nur auf dieser Ebene von mir trennte. Sie wollte sehr wohl den Kontakt, den ich aber nicht anbieten konnte. Anfangs war es bloße Sturheit: warum sollte ich denn noch Kontakt mit jemandem wollen, der mich nicht liebt. Später war es die Erkenntnis, dass die Ebene, die diese Personen wollten nicht die war, die ich wollte. Und viel später erkannte ich, dass diese Personen einfach nicht den Einfluss hatten, mich aus meinem Trott herauszuholen. Jemand sagte mal, ich müsse jemanden treffen, der mich so richtig flasht, dann würde ich all meine negativen Emotionen auch nach einer Trennung vergraben. Und wenn dann nur genug Zeit vergangen wäre, hätte man sich neu kennengelernt und wäre ein zweites mal geflasht worden. Oder aber beide sind von Anfang an füreinander bestimmt. Jemand anderes glaubte, dass es einfach nicht die richtige Zeit sei, aber wann wäre diese je gewesen? Wir sind keine Spatzen und finden nicht den Partner fürs Leben mit dem ersten Versuch. Über die höhere Lebenserwartung hinweg in einer Person alles zu sehen, scheint auch etwas merkwürdig. Wir müssen uns selbst definieren und oft machen wir das über das Probieren. Oder anders ausgedrückt: sich selber erkennt man nur durch die Augen anderer.
Ich war gut darin Leute zu beobachten, aber nach Trennungen, auch auf freundschaftlicher Ebene, war mein Verstand wie Brei. Eher fing ich an über mögliche Treffen mit dieser Person nachzudenken und den Gesprächsverlauf zu erahnen. Wenn man emotional nicht vorbelastet ist, reicht es manchmal die andere Person gut zu kennen und schon ist die Vorhersage, was sie sagen würde oder wie sie denkt keine Gabe. Leider ist das große Problem bei einer Vorbelastung, dass wir für die anderen denken. Letztlich glauben wir alles zu wissen oder mit absoluter Sicherheit den weiteren Verlauf zu kennen.
Ein häufiger Gesprächsverlauf, den ich mir erdacht hatte war wie folgt: Die Person meldet sich nach einiger Zeit mit mir und bittet um ein Treffen. Dann teilt sie mir mit, dass sie mich mich ja immer noch mag und ob man nicht befreundet sein könnte. Ich teile dieser Person in dem Moment mit, dass ich dieses Gefühl nicht erwidere und dementsprechend keinen Kontakt wünsche. Die Realität sieht so aus: Die Person meldet sich und fragt, wie man das mit den Sachen macht, die noch bei dem jeweils anderen sind.
Oder aber ich wünsche mir inständig, die Person kommt auf mich zu und sagt, sie will mich zurück. Selbst dann sage ich von oben herab „Es ist zu spät, Du hattest deine Entscheidung getroffen.“ Die Realität in dem Fall ist, dass sich die Person nie wieder meldet und man sich irgendwann begegnet aber nichts mehr zu sagen hat. Das schmerzt dann aber auch nicht mehr, es ist egal.
Würde jemand seine Gefühle erst mal wegpacken, sagen es sei noch nicht die richtige Zeit, würde ich ihn aus meinem Leben streichen und den Schmerz dessen akzeptieren.
Ich kenne die Gefühle anderer Menschen nicht, wenn sie mich betreffen und ich will sie auch nicht kennen. Aber das ist die Wut und der Frust, die aus mir sprechen. Wenn ich auch versuchen würde mich selbst zu beobachten, ich würde scheitern. Emotional betroffen zu sein, macht einen nahezu blind.

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