Montag, 17. August 2015
Das Gesamte
kleineskamel, 00:41h
Stephan und ich sollten lange Zeit durch dick und dünn gehen. Ich war bei ihm und wir zockten Super Nintendo. Wir waren gemeinsam auf dem Sportplatz und spielten Fußball gegen vermeintliche Superstars und gewannen. Da ich bei mir nicht allzu viel bieten konnte, was wirklich besser gewesen wäre, waren wir vordergründig bei ihm und im Grunde nie bei mir. Bis irgendwann seine Eltern verreisten und wiederum anfragten, ob Stephan nicht über die Zeit bei uns bleiben könnte. Zu dem Zeitpunkt waren wir bestimmt sechzehn Jahre alt.
Die Herberge stellte kein Problem dar, zumal er alles mitbrachte und mein Zimmer in ein für damalige Verhältnisse Paradies für Technik-Nerds verwandelte. Also zockten wir immer noch Super Nintendo, aber bei mir. Wir spielten mit Lego und bauten eine riesige Burg aus allen Steinen, eben auch Stephans. Wir verwandelten mein Zimmer mit ganz vielen Decken und Kissen in ein Lager und mein Bett mit wenigen Griffen und dem PC-Lenkrad Stephans in einen Sportwagen. Fast fühlte es sich auch so an, als gehörte alles mir und Stephan war nur Gast und der faszinierte Blick galt auch all den Dingen, die ich besaß. Ich sollte mich irren, denn sein Blick war nicht fasziniert und er galt nicht meinem „neuen“ Spielzeug.
Natürlich war bei mir Angst im Spiel, dass ich mich darauf hin nie wieder bei ihm meldete und selbst seinen Anruf bei uns nahm ich nur widerwillig entgegen. Er blieb sitzen, ich kam in die Oberstufe, der Kontakt war bereits zum Abbruch bestimmt. Aber etwas in mir veränderte sich und die anfängliche Unbeholfenheit, meine schüchterne Art und mein nerdiges Verhalten machten Platz für den zu Beginn dieses Textes beschriebenen Charakter: Ich begann mich wohlzufühlen als Außenseiter und ich machte mir einen Spaß daraus, andere zu verletzen.
Stephan, so erzählten mir es mir seine Eltern Jahre später, sei bei einem Autounfall gestorben. Ich war zu dem Zeitpunkt auf der Universität, hatte bereits Sarah und all die anderen verkorksten Erinnerungen hinter mich gebracht und war auch nicht mehr so verletzend. Vermutlich hätten mich dennoch viele für einen Player gehalten, nur war meine Art vielleicht eine nach Außen coole, aber innerlich blieb ich verklemmt. Was aber blieb, war meine neu dazu gewonnene Verschlossenheit, die wohl Ergebnis meiner Erfahrungen war.
Ich drückte gegenüber Stephans Eltern mein Beileid aus und hörte der weinenden Mama noch lange zu. Dass wir so gute Freunde waren und es schade war, dass es auseinander ging, dass Stephan einen guten Freund lange gebraucht hatte und dass sein damaliger fester Freund absolut keinen guten Einfluss auf ihn hatte...ich hörte mir alles still und leise an und begriff zum ersten mal, dass Worte wenig ausdrücken, wenn jemand eine andere Sprache spricht. Meine war während des Telefonats die geballte Faust, das hämische Grinsen über seinen Tod und die gelangweilte Miene während des Zuhörens. Meine Sprache war Verachtung.
Stephan war also schwul und hatte einen Freund kennengelernt, der Drogen nahm und auf irgendwelchen Partys reiche Typen ansprach und für Geld mit ihnen in die Kiste sprang. Die Vermutung lag nahe, dass auch Stephan das alles getan hatte, aber die Mitteilung über den Tod ihres Sohnes war hart genug, man musste den Eltern nicht auch noch die Wahrheit über seinen Charakter und seine Handlungen offenbaren.
Was uns passiert, verändert, trotz der Fähigkeit auf unseren weiteren Verlauf Einfluss zu verüben, Alles. Wir machen Dinge, von denen wir wissen müssten, dass sie schlecht sind. Wir verletzen Leute, weil wir verletzt wurden und am Ende freuen wir uns, dass mal jemand sagte „Wir sind die Gesamtheit unserer Erfahrungen und entsprechend sind unsere Handlungen“... Nur vergessen wir dabei, dass das Gesamte stets mehr als die Summe seiner Einzelteile ist...
Die Herberge stellte kein Problem dar, zumal er alles mitbrachte und mein Zimmer in ein für damalige Verhältnisse Paradies für Technik-Nerds verwandelte. Also zockten wir immer noch Super Nintendo, aber bei mir. Wir spielten mit Lego und bauten eine riesige Burg aus allen Steinen, eben auch Stephans. Wir verwandelten mein Zimmer mit ganz vielen Decken und Kissen in ein Lager und mein Bett mit wenigen Griffen und dem PC-Lenkrad Stephans in einen Sportwagen. Fast fühlte es sich auch so an, als gehörte alles mir und Stephan war nur Gast und der faszinierte Blick galt auch all den Dingen, die ich besaß. Ich sollte mich irren, denn sein Blick war nicht fasziniert und er galt nicht meinem „neuen“ Spielzeug.
Natürlich war bei mir Angst im Spiel, dass ich mich darauf hin nie wieder bei ihm meldete und selbst seinen Anruf bei uns nahm ich nur widerwillig entgegen. Er blieb sitzen, ich kam in die Oberstufe, der Kontakt war bereits zum Abbruch bestimmt. Aber etwas in mir veränderte sich und die anfängliche Unbeholfenheit, meine schüchterne Art und mein nerdiges Verhalten machten Platz für den zu Beginn dieses Textes beschriebenen Charakter: Ich begann mich wohlzufühlen als Außenseiter und ich machte mir einen Spaß daraus, andere zu verletzen.
Stephan, so erzählten mir es mir seine Eltern Jahre später, sei bei einem Autounfall gestorben. Ich war zu dem Zeitpunkt auf der Universität, hatte bereits Sarah und all die anderen verkorksten Erinnerungen hinter mich gebracht und war auch nicht mehr so verletzend. Vermutlich hätten mich dennoch viele für einen Player gehalten, nur war meine Art vielleicht eine nach Außen coole, aber innerlich blieb ich verklemmt. Was aber blieb, war meine neu dazu gewonnene Verschlossenheit, die wohl Ergebnis meiner Erfahrungen war.
Ich drückte gegenüber Stephans Eltern mein Beileid aus und hörte der weinenden Mama noch lange zu. Dass wir so gute Freunde waren und es schade war, dass es auseinander ging, dass Stephan einen guten Freund lange gebraucht hatte und dass sein damaliger fester Freund absolut keinen guten Einfluss auf ihn hatte...ich hörte mir alles still und leise an und begriff zum ersten mal, dass Worte wenig ausdrücken, wenn jemand eine andere Sprache spricht. Meine war während des Telefonats die geballte Faust, das hämische Grinsen über seinen Tod und die gelangweilte Miene während des Zuhörens. Meine Sprache war Verachtung.
Stephan war also schwul und hatte einen Freund kennengelernt, der Drogen nahm und auf irgendwelchen Partys reiche Typen ansprach und für Geld mit ihnen in die Kiste sprang. Die Vermutung lag nahe, dass auch Stephan das alles getan hatte, aber die Mitteilung über den Tod ihres Sohnes war hart genug, man musste den Eltern nicht auch noch die Wahrheit über seinen Charakter und seine Handlungen offenbaren.
Was uns passiert, verändert, trotz der Fähigkeit auf unseren weiteren Verlauf Einfluss zu verüben, Alles. Wir machen Dinge, von denen wir wissen müssten, dass sie schlecht sind. Wir verletzen Leute, weil wir verletzt wurden und am Ende freuen wir uns, dass mal jemand sagte „Wir sind die Gesamtheit unserer Erfahrungen und entsprechend sind unsere Handlungen“... Nur vergessen wir dabei, dass das Gesamte stets mehr als die Summe seiner Einzelteile ist...
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niagarafallschirm,
Dienstag, 15. September 2015, 15:31
Zwei Abschnitten kann ich nicht ganz folgen: Woher kam die Angst, die nach dem Besuch von Stephan einsetzte? Wie war Stephans Blick und worauf war er gerichtet?
Vorstellen könnte ich mir, das die Eltern von Stephan den Lebenswandel mit Drogen und schnellem in die Kiste springen erahnt hatten.
Haben Sie es also aus Höflichkeit nicht erwähnt, um die Eltern nicht auf diese Gedanken zu bringen oder sollte dieses Thema (wenn auch von Ihrer und der Elternseite bekannt) zu diesem Zeitpunkt nicht angesprochen werden?
Was den letzten Abschnitt angeht, finde ich es gut beschrieben, denn ich denk auch, dass uns letztendlich alles beeinflusst. Vergessen darf man nicht, dass man den Umgang mit den äußeren Einflüssen selbst im Griff hat (natürlich nur zu einem gewissen Grad). Bestimmt ist man ihnen in einem Maße ausgeliefert, doch was man daraus macht liegt an einem selbst.
Vorstellen könnte ich mir, das die Eltern von Stephan den Lebenswandel mit Drogen und schnellem in die Kiste springen erahnt hatten.
Haben Sie es also aus Höflichkeit nicht erwähnt, um die Eltern nicht auf diese Gedanken zu bringen oder sollte dieses Thema (wenn auch von Ihrer und der Elternseite bekannt) zu diesem Zeitpunkt nicht angesprochen werden?
Was den letzten Abschnitt angeht, finde ich es gut beschrieben, denn ich denk auch, dass uns letztendlich alles beeinflusst. Vergessen darf man nicht, dass man den Umgang mit den äußeren Einflüssen selbst im Griff hat (natürlich nur zu einem gewissen Grad). Bestimmt ist man ihnen in einem Maße ausgeliefert, doch was man daraus macht liegt an einem selbst.
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