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Samstag, 27. Juni 2015
Fortschritte auf Kosten der Vergangenheit
kleineskamel, 14:14h
Und dann dachte ich in meiner Naivität natürlich auch über all die Sarahs nach. Die unausweichliche Konsequenz unseres Kontaktes schien stets die Beendigung desselben zu sein. Ich machte mir vor jemanden zu mögen, während ich doch hätte wissen müssen, dass ich auf der Suche nach Ablenkung war. Das „wovon“ konnte ich noch nicht erklären, zumal ich mich ja derart in diese Beziehungen mit anderen stürzte, dass ich wirklich dachte die Personen dahinter zu mögen. „Du kannst andere nur lieben, wenn Du dich selbst liebst“ sagten mir dann all die Schlauberger und Pseudophilosophen. Und Sie mögen recht haben, aber meine sture Seite glaubt nicht an solchen metaphysischen Quatsch. Leider glaubte sie aber auch nicht einfach nur an die biologische Erklärung.
Ich habe nicht bereut, was ich in den Jahren tat, solange es niemanden verletzte. Ich hatte mich getrennt, von mir wurde sich getrennt. Ich hielt den Kontakt nicht, weil mein Stolz verletzt war und behauptete nie dies sei die falsche Entscheidungen gewesen. Ich bin fest davon überzeugt, dass man Entscheidungen nicht bereut. Man trifft sie und lebt mit ihnen. Alles andere würde uns ausbremsen, … wir würden wahrscheinlich nie etwas wagen …
Ich mochte diese Menschen in meinem Leben, nur nicht so sehr, dass sie in meiner Zukunft eine körperliche Präsenz einnehmen mussten. Was ich aber, zu meiner Schande später erst, verstand war, dass diese Menschen wie meine sonstigen Erfahrungen immer ein Teil von mir sein sollten. Ich mochte wie sie reden, ihre Gedanken äußern, vielleicht sogar ähnlich kleiden wie sie, ohne dass sie jemals wieder da waren oder jemand gewusst hätte, dass es eigentlich ihre Gedanken, ihre Sprache und ihr Stil war. Es sollte nie jemand erfahren, wer mich beeinflusst hat. Und ich dachte wirklich, dass auch jeder mich erkannte und nicht ein Produkt meiner Erfahrungen. Ich fühlte mich aber immer mehr so. Ich sah so wenig von dem, was ich sein wollte und so vieles von derjenigen Person, die mich aktuell am stärksten beeinflusste. Kurzzeitig wollte ich deswegen Pilot werden, ohne auch nur eine Affinität zum Fliegen zu besitzen.
Je mehr ich aber den Abstand zu all diesen Emotionen gewann, desto mehr fand ich des Pudels Kern. Ich sah den kleinen verängstigten Jungen, der sich hinter seinen Mauern verkroch und nach und nach begriff ich sogar, dass ich es war. Und ich sah auch, wie wenig Fortschritte ich tatsächlich gemacht hatte. Also ich! Und nicht etwa jemand, der dachte er vertrete seine Meinung und würde erwachsener werden. Bei all den Erkenntnissen hätte mich genau diese eine - dass ich der kleine Junge war - nach vorne bringen müssen. Aber stattdessen warf sie mich zurück in meine Entscheidung nie wieder schwach zu sein.
Ich sprang also von einem Fortschritt zum Rückschritt. Ich war der lebende Beweis einer Konjunkturphase des Menschen, wenn man seine Entwicklung betrachtet. Hätte ich daraus nicht irgendwann erstarkt hervorgehen müssen?
Ich schreibe unter anderem, weil ich es kann. Ich schreibe aber auch, weil ich weiß, dass es hilft. Die einen benötigen nur einen Spiegel, um sich zu erkennen. Wieder andere benötigen einen Mitmenschen, um über sich etwas zu erfahren. Und wieder andere sind wie Hunde: sie haben offenbar keinerlei Selbstwahrnehmung. Vielleicht sollten Hunde das Schreiben lernen.
Ich mochte die Vorstellung nicht mehr schwach zu sein und ich mag sie noch immer. Ich habe mich sehr bewusst dazu entschieden. Und auch wenn diese Erkenntnis nur eine Seite einer Münze darstellt, so glaube ich fest daran, dass man Entscheidungen nicht bereuen sollte. Man trifft sie und lebt mit ihnen.
Ich habe nicht bereut, was ich in den Jahren tat, solange es niemanden verletzte. Ich hatte mich getrennt, von mir wurde sich getrennt. Ich hielt den Kontakt nicht, weil mein Stolz verletzt war und behauptete nie dies sei die falsche Entscheidungen gewesen. Ich bin fest davon überzeugt, dass man Entscheidungen nicht bereut. Man trifft sie und lebt mit ihnen. Alles andere würde uns ausbremsen, … wir würden wahrscheinlich nie etwas wagen …
Ich mochte diese Menschen in meinem Leben, nur nicht so sehr, dass sie in meiner Zukunft eine körperliche Präsenz einnehmen mussten. Was ich aber, zu meiner Schande später erst, verstand war, dass diese Menschen wie meine sonstigen Erfahrungen immer ein Teil von mir sein sollten. Ich mochte wie sie reden, ihre Gedanken äußern, vielleicht sogar ähnlich kleiden wie sie, ohne dass sie jemals wieder da waren oder jemand gewusst hätte, dass es eigentlich ihre Gedanken, ihre Sprache und ihr Stil war. Es sollte nie jemand erfahren, wer mich beeinflusst hat. Und ich dachte wirklich, dass auch jeder mich erkannte und nicht ein Produkt meiner Erfahrungen. Ich fühlte mich aber immer mehr so. Ich sah so wenig von dem, was ich sein wollte und so vieles von derjenigen Person, die mich aktuell am stärksten beeinflusste. Kurzzeitig wollte ich deswegen Pilot werden, ohne auch nur eine Affinität zum Fliegen zu besitzen.
Je mehr ich aber den Abstand zu all diesen Emotionen gewann, desto mehr fand ich des Pudels Kern. Ich sah den kleinen verängstigten Jungen, der sich hinter seinen Mauern verkroch und nach und nach begriff ich sogar, dass ich es war. Und ich sah auch, wie wenig Fortschritte ich tatsächlich gemacht hatte. Also ich! Und nicht etwa jemand, der dachte er vertrete seine Meinung und würde erwachsener werden. Bei all den Erkenntnissen hätte mich genau diese eine - dass ich der kleine Junge war - nach vorne bringen müssen. Aber stattdessen warf sie mich zurück in meine Entscheidung nie wieder schwach zu sein.
Ich sprang also von einem Fortschritt zum Rückschritt. Ich war der lebende Beweis einer Konjunkturphase des Menschen, wenn man seine Entwicklung betrachtet. Hätte ich daraus nicht irgendwann erstarkt hervorgehen müssen?
Ich schreibe unter anderem, weil ich es kann. Ich schreibe aber auch, weil ich weiß, dass es hilft. Die einen benötigen nur einen Spiegel, um sich zu erkennen. Wieder andere benötigen einen Mitmenschen, um über sich etwas zu erfahren. Und wieder andere sind wie Hunde: sie haben offenbar keinerlei Selbstwahrnehmung. Vielleicht sollten Hunde das Schreiben lernen.
Ich mochte die Vorstellung nicht mehr schwach zu sein und ich mag sie noch immer. Ich habe mich sehr bewusst dazu entschieden. Und auch wenn diese Erkenntnis nur eine Seite einer Münze darstellt, so glaube ich fest daran, dass man Entscheidungen nicht bereuen sollte. Man trifft sie und lebt mit ihnen.
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Donnerstag, 25. Juni 2015
Abstand mehrt Distanz
kleineskamel, 20:02h
Abstand mehrt Distanz. Dabei ist egal, ob er räumlicher oder geistiger Natur ist. Ich sehe Unterschiede darin, ob wir diesen Abstand selber herbeiführen oder äußere Umstände uns dazu zwingen. Gerade auf der geistigen Ebene ist wohl ersteres der häufigere Grund. Da geht man plötzlich nach der Trennung viel häufiger aus, trifft immer mehr Personen und bezeichnet es als Ablenkung. Offenbar hat sich dieses Verhalten so sehr in unser soziales Umfeld integriert, dass genau aufgrund dieser Verinnerlichung auch Freunde stets diesen Tipp geben: „Geh aus, lenk dich ab. Unternimm einfach etwas.“ Man mag selber nie der Typ dafür gewesen sein, aber etwas führt uns dennoch dazu diesem Ratschlag zu folgen. Wie oft hat dieser Ratschlag dir geholfen?
Ich war häufig aus, bin oft in andere Städte gefahren. Die Eindrücke, die ich mitgenommen hatte, haben mir geholfen. Aber nicht über das Problem hinweg. Sie halfen mir meinen Charakter weiterzuentwickeln. Diese Weiterentwicklung hat erst nach und nach dazu geführt, dass das Problem verschwand. Noch war es zu früh, aber ich begann meine Sorgen nicht mehr nur zu verdrängen. Ich musste nicht mit anderen reden, ich musste nicht Spaß haben, um mich abzulenken. Ich musste mich selbst kennenlernen und erfahren, was mich überhaupt in diese Situation brachte. Warum vergesse ich diese Erkenntnis nur immer wieder?
Es ist schwierig den emotionalen Hintergrund von damals zu rekapitulieren. Ich kann ihn nur aus meiner heutigen Sicht wiedergeben und Schlüsse aus meinem Verhalten ziehen. Ich versuche Erklärungen für meinen jetzigen Charakter zu finden und ahne, dass ich den Punkt verpasst habe, meine Entwicklung selbst zu steuern. Ich hatte Erkenntnisse, die mich nicht unbedingt zu einem besseren Menschen gemacht hätten, aber definitiv einem erwachseneren. Nun stehe ich da und fühle mich so häufig wie ein Kind: überfordert von dem, was mein Umfeld von mir will und zu sehr auf mich fixiert, als dass ich versuchen würde etwas zu ändern. Aber auch die Neugier eines Kindes steckt in mir. Eine Neugier, die ich im jungen Alter nicht hatte. Früher wollte ich beobachten, aber nichts daraus lernen. Und lange Zeit wusste ich auch: ich bin gut im Beobachten, aber ich verstehe nichts.
So vergingen die Jahre und Menschen kamen und gingen. Mein Umfeld änderte sich. Ich zog von einer Wohnung in eine andere, hatte einen Job und dann den nächsten. Und erst nach all diesen Jahren wollte ich wissen, wer ich bin.
Nicht wenige suchen Abstand zu ihren Problemen und schaffen eine räumliche oder geistige Distanz, weil sie denken, es würde ihnen helfen das Problem zu verarbeiten. Es beschleunigt aber vielleicht nur den Verdrängungsprozess desselben. Lange Zeit dachte ich, dass diese Distanzierung eine unausweichliche Konsequenz ist. Dass man auch mit viel Mühe daran scheitern wird zwischen zwei ehemaligen Partnern eine Freundschaft aufzubauen. Dass man erst mit einer neuen Tätigkeit den alten Job und all die Sorgen dort vergisst. Dass man verreisen müsste, um sich von seinem direkten Umfeld zu erholen. Ich erkannte nur eine negative Bedeutung: Abstand mehrt Distanz.
Aber ohne diese Distanz könnte ich heute nichts aufarbeiten.
Ich war häufig aus, bin oft in andere Städte gefahren. Die Eindrücke, die ich mitgenommen hatte, haben mir geholfen. Aber nicht über das Problem hinweg. Sie halfen mir meinen Charakter weiterzuentwickeln. Diese Weiterentwicklung hat erst nach und nach dazu geführt, dass das Problem verschwand. Noch war es zu früh, aber ich begann meine Sorgen nicht mehr nur zu verdrängen. Ich musste nicht mit anderen reden, ich musste nicht Spaß haben, um mich abzulenken. Ich musste mich selbst kennenlernen und erfahren, was mich überhaupt in diese Situation brachte. Warum vergesse ich diese Erkenntnis nur immer wieder?
Es ist schwierig den emotionalen Hintergrund von damals zu rekapitulieren. Ich kann ihn nur aus meiner heutigen Sicht wiedergeben und Schlüsse aus meinem Verhalten ziehen. Ich versuche Erklärungen für meinen jetzigen Charakter zu finden und ahne, dass ich den Punkt verpasst habe, meine Entwicklung selbst zu steuern. Ich hatte Erkenntnisse, die mich nicht unbedingt zu einem besseren Menschen gemacht hätten, aber definitiv einem erwachseneren. Nun stehe ich da und fühle mich so häufig wie ein Kind: überfordert von dem, was mein Umfeld von mir will und zu sehr auf mich fixiert, als dass ich versuchen würde etwas zu ändern. Aber auch die Neugier eines Kindes steckt in mir. Eine Neugier, die ich im jungen Alter nicht hatte. Früher wollte ich beobachten, aber nichts daraus lernen. Und lange Zeit wusste ich auch: ich bin gut im Beobachten, aber ich verstehe nichts.
So vergingen die Jahre und Menschen kamen und gingen. Mein Umfeld änderte sich. Ich zog von einer Wohnung in eine andere, hatte einen Job und dann den nächsten. Und erst nach all diesen Jahren wollte ich wissen, wer ich bin.
Nicht wenige suchen Abstand zu ihren Problemen und schaffen eine räumliche oder geistige Distanz, weil sie denken, es würde ihnen helfen das Problem zu verarbeiten. Es beschleunigt aber vielleicht nur den Verdrängungsprozess desselben. Lange Zeit dachte ich, dass diese Distanzierung eine unausweichliche Konsequenz ist. Dass man auch mit viel Mühe daran scheitern wird zwischen zwei ehemaligen Partnern eine Freundschaft aufzubauen. Dass man erst mit einer neuen Tätigkeit den alten Job und all die Sorgen dort vergisst. Dass man verreisen müsste, um sich von seinem direkten Umfeld zu erholen. Ich erkannte nur eine negative Bedeutung: Abstand mehrt Distanz.
Aber ohne diese Distanz könnte ich heute nichts aufarbeiten.
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Sonntag, 7. Juni 2015
Eine Frage der Perspektive
kleineskamel, 14:11h
War dann immer häufiger vertreten im Chat. N Grund gab's nicht mehr, außer den mich zu profilieren. Hatte aber einiges geändert. War beim Hautarzt, kleidete mich besser, drückte mich auch besser in Gesprächen aus und wurde augenscheinlich offener. Hab dann noch in der Schule nen besseren Ruf gehabt und war plötzlich nicht nur für Wenige interessant. War halt nur komisch, dass ich zwar Dinge von mir erzählte, aber nie so richtig etwas preisgab. Hätte jemand gefragt „Wie isser denn so?“, die Leute hätten wohl gesagt „offen, ehrlich und n ganz Lieber“. Mann, die kannten mich wirklich nicht. Aber kannte mich ja selber nicht. Viel später meinte ich zu dem Charakter mal „angelernt extrovertiert“ und glaube, das traf es ganz gut. Offen war ich im Umgang allemal. Quatschte Leute an, ließ mich bequatschen, war plötzlich lauter und so was wie ne Stimmungskanone. Sich selbst siehste nur durch die Augen anderer. Wenn Du aber die Augen verschließt, nützt dir das nichts.
Im Chat war ich eher böse, arrogant und überheblich. Hab da meine dunkle Seite raus gekehrt und Leute verachtet für ihre Schwäche. Klar, wollte ja nichts mehr mit Schwächen zu tun haben. Und es gab noch ne Ebene, auf der ich nen anderen Charakter zeigte; in Gedichten und Geschichten, die ich schrieb. Gespaltene Persönlichkeit oder so, aber s gab mir n Gefühl von Sicherheit nach außen ne Wand zu haben, dann kam noch eine. Und wolltest Du zum Kern, musstest Du n Labyrinth durchqueren. Wer hätte sich schon die Mühe gemacht? Je mehr ich nach außen hin lernte mich zu verstellen, desto mehr änderten sich meine Texte. Da war Frust und Wut drin während ich ansonsten lustig und so unterwegs war. Hätte jemand gefragt, wie's mir geht, hätte ich „nicht schlecht“ gesagt.
Die Veränderung tat mir gut. War halt n Ventil. Glaubte dann auch auch, dass sich sogar meine Fähigkeiten verbessern. Taten sie auch, denn ich schrieb anders. Am Anfang hatte mein damaliger Deutschlehrer mal gemeint, ich hätte nen grauenvollen Ausdruck und nach m ersten Satz eines Aufsatzes wollte er den Text schon weglegen, weil mehr Fehler als Worte drin waren. Hatte aber auch gemeint, der Text hatte was, was ihn nicht losließ. Ich hörte natürlich nur „Fehler“ und ne Schwäche heraus und wollte lernen, besser zu sein. Weiß nicht wie, aber mein Ausdruck besserte sich vor allem im Chat und dann nach und nach in meinen Texten. War aber nur die Oberfläche. Was der Lehrer ja eigentlich meinte, war meine Art zu erzählen. Darauf hab ich aber nichts gegeben, zumindest noch nicht.
So änderte ich also meinen Ausdruck. Ich verbesserte meine Schreibweise. Ich achtete penibel darauf die Groß- und Kleinschreibung und richtige Interpunktion zu beachten und immer mehr begannen meine Texte an Form zu gewinnen, ohne dass ihr Inhalt geschmälert wurde. Es gab nur das Problem, dass mir der Inhalt zu diesem Zeitpunkt einfach nicht wichtig war. Ich begriff nicht oder wollte nicht begreifen, dass ich angefangen hatte eine, zumindest für mich, Variante zu entdecken, in der ich klar und deutlich meine Gefühle auszudrücken vermochte. Abermals musste diese Erkenntnis wesentlich später in mein Bewusstsein dringen. Vielleicht war aber noch nicht der richtige Zeitpunkt.
Dass ich nicht in der Lage bin, normal mit anderen zu reden, dass ich nicht vermag ehrlich zu ihnen zu sein, lag an der Mauer, die ich gebildet hatte. Diente sie am Anfang noch dem Selbstschutz, war sie später vielmehr ein Gefängnis. Andere gaben an der ersten Mauer nicht auf. Sie versuchten wirklich mich kennenzulernen. Sie überwanden auch die zweite Mauer, mit Mühe zwar, aber plötzlich standen sie am Labyrinth. Die Zeit war gekommen, dass auch ich mir Mühe gab. Ich hätte ihnen nur entgegenkommen müssen. Aber nein, ich wollte mich lieber in meinem Turm verstecken und worauf auch immer warten. So viele Leute meines späteren Lebens gaben mir die Möglichkeit mich selbst zu erkennen. Ich hatte tatsächlich die Chance, mich selbst durch ihre Augen zu erkennen. Aber ich wollte einfach noch nicht, dass sie die Augen für mich öffnen.
Im Chat war ich eher böse, arrogant und überheblich. Hab da meine dunkle Seite raus gekehrt und Leute verachtet für ihre Schwäche. Klar, wollte ja nichts mehr mit Schwächen zu tun haben. Und es gab noch ne Ebene, auf der ich nen anderen Charakter zeigte; in Gedichten und Geschichten, die ich schrieb. Gespaltene Persönlichkeit oder so, aber s gab mir n Gefühl von Sicherheit nach außen ne Wand zu haben, dann kam noch eine. Und wolltest Du zum Kern, musstest Du n Labyrinth durchqueren. Wer hätte sich schon die Mühe gemacht? Je mehr ich nach außen hin lernte mich zu verstellen, desto mehr änderten sich meine Texte. Da war Frust und Wut drin während ich ansonsten lustig und so unterwegs war. Hätte jemand gefragt, wie's mir geht, hätte ich „nicht schlecht“ gesagt.
Die Veränderung tat mir gut. War halt n Ventil. Glaubte dann auch auch, dass sich sogar meine Fähigkeiten verbessern. Taten sie auch, denn ich schrieb anders. Am Anfang hatte mein damaliger Deutschlehrer mal gemeint, ich hätte nen grauenvollen Ausdruck und nach m ersten Satz eines Aufsatzes wollte er den Text schon weglegen, weil mehr Fehler als Worte drin waren. Hatte aber auch gemeint, der Text hatte was, was ihn nicht losließ. Ich hörte natürlich nur „Fehler“ und ne Schwäche heraus und wollte lernen, besser zu sein. Weiß nicht wie, aber mein Ausdruck besserte sich vor allem im Chat und dann nach und nach in meinen Texten. War aber nur die Oberfläche. Was der Lehrer ja eigentlich meinte, war meine Art zu erzählen. Darauf hab ich aber nichts gegeben, zumindest noch nicht.
So änderte ich also meinen Ausdruck. Ich verbesserte meine Schreibweise. Ich achtete penibel darauf die Groß- und Kleinschreibung und richtige Interpunktion zu beachten und immer mehr begannen meine Texte an Form zu gewinnen, ohne dass ihr Inhalt geschmälert wurde. Es gab nur das Problem, dass mir der Inhalt zu diesem Zeitpunkt einfach nicht wichtig war. Ich begriff nicht oder wollte nicht begreifen, dass ich angefangen hatte eine, zumindest für mich, Variante zu entdecken, in der ich klar und deutlich meine Gefühle auszudrücken vermochte. Abermals musste diese Erkenntnis wesentlich später in mein Bewusstsein dringen. Vielleicht war aber noch nicht der richtige Zeitpunkt.
Dass ich nicht in der Lage bin, normal mit anderen zu reden, dass ich nicht vermag ehrlich zu ihnen zu sein, lag an der Mauer, die ich gebildet hatte. Diente sie am Anfang noch dem Selbstschutz, war sie später vielmehr ein Gefängnis. Andere gaben an der ersten Mauer nicht auf. Sie versuchten wirklich mich kennenzulernen. Sie überwanden auch die zweite Mauer, mit Mühe zwar, aber plötzlich standen sie am Labyrinth. Die Zeit war gekommen, dass auch ich mir Mühe gab. Ich hätte ihnen nur entgegenkommen müssen. Aber nein, ich wollte mich lieber in meinem Turm verstecken und worauf auch immer warten. So viele Leute meines späteren Lebens gaben mir die Möglichkeit mich selbst zu erkennen. Ich hatte tatsächlich die Chance, mich selbst durch ihre Augen zu erkennen. Aber ich wollte einfach noch nicht, dass sie die Augen für mich öffnen.
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